Laß deine Pulse stocken
Und senk die Stirne tief
Zum Saum der Maienglocken,
Drin Ofterdingen schlief,
Und aufzublühn gebiete
Dem Flieder, der dich schmückt,
Eh Lilie dich verriete,
Hat Wind sie abgepflückt.
Verwirkt ist und verschollen,
Was edel war und groß,
Verstoben mit den Pollen
Und fast schon namenlos,
Und wer die ferne Sage
Erweckt für einen Tag,
Der sänke vor dem Schlage
Der Sichel nackt im Hag.
Wo Krieger Blut vergossen,
Wo Odin trank am Born,
Ist Bärenlauch entsprossen,
Blüht rot der Lerchensporn,
Pilz wird den Stein zersprengen,
Das Wasser tut sein Werk,
Und Flechten schwarz verhängen
Den Eingang in den Berg.
Wer mit der Wünschelrute
Den lichten Wald durchstreift,
Wer mit des Widders Blute
Die Stämme salbt, ergreift
Nichts als von Muschelschalen
Den Schild, der leise klirrt
Am Eichenast, am kahlen,
Der dir nicht grünen wird.
Und wer die Pforte fände,
Den blendete kein Licht,
Den sehrten keine Brände,
Sein Aug erspähte nicht
Den Hort der Nibelungen
Und nicht des Kaisers Schloß,
Weil, was dem Traum entsprungen,
Uns wie ein Traum zerfloß.
Nicht fragt der Schatten-Weber,
Ob du das Feld verminst,
Schatzhüter und Schatzheber
Sind beide außer Dienst,
Und was wir sommers erben,
Sind Walkerbeeren, leg
Die holden zu den herben
Und geh den Ginsterweg.
Kein Eber schlug die Bresche,
Im Wind ragt ohne Wehr
Der Quester vor der Esche,
Gelehnt auf seinen Speer,
Zwei Schlangen weiß umwinden
Den Stab - ihr Tanz besagt:
Erblühen und erblinden
Wirst du, bevor es tagt.
Und auch die späten Wächter,
Milan und Hermelin,
Sucht Pan, der Spiegelfechter,
In seinen Bann zu ziehn,
Die Schlangen, sie entgleiten
Im Sand und allzu schnell
Wirst du den Kreis durchschreiten,
Doch silbern springt der Quell.
Wo Nebelschleier wallen,
Ist auch der Schlaf nicht fern,
Nur einer, hold vor allen,
Wacht mit dem Abendstern,
Vom Runenblitz getroffen,
Im Schatten aufgepflanzt,
Und hält die Wunde offen,
Die du nicht stillen kannst.
- Rolf Schilling